Instrument des Jahres: Klarinette



Weltstar ohne Allüren

14.10.2008

Flensburger Tageblatt, 14.10.2008

Sie ist in Lübeck zu Hause, aber auf der ganzen Welt bekannt: Die Klarinettistin Sabine Meyer ist nicht nur ein Ausnahmetalent, sie kümmert sich auch intensiv um den musikalischen Nachwuchs.

Lübeck — In jungen Jahren war sie so etwas wie ein Wunderkind. Dann entdeckte Herbert von Karajan die hoch begabte Klarinettistin und holte sie zu den Berliner Philharmonikern. Das war 1983, Sabine Meyer knapp 24 Jahre alt und schon eine sehr gefragte Instrumentalestin.
Karajan wollte sie als Soloklarinettistin in seinem Weltklasse-Orchester. Sabine Meyer war damals die erste Frau in dem von Männern dominierten Klangkörper. Die Jungs im Orchester lehnten Karajans Entscheidung vehement ab — nicht nur, weil sie keine Frau auf den ersten Plätzen wollten, auch weil sie den Ton, den Sabine Meyer ihrer Klarinette entlockte, nicht passend für den Gesamtklang der Berliner fanden. Der Streit zwischen den selbstbewussten Sinfonikern und ihrem dominanten Chef drohte zu eskalieren. Sabine Meyer verließ die Streithähne, um ihre eigenen Wege zu gehen.
„Ach, das ist lange her und dazu gibt es auch gar nicht so viel zu sagen", winkt Sabine Meyer ab, als die Sprache auf Karajan und die Berliner Zeit kommt. Wir sitzen beim Tee in ihrer Küche. In einem Haus, das von einem solchen Charme ist, dass man sich wünscht, hier möglichst lange verweilen zu dürfen.
Mitten in der Lübecker Altstadt hat Sabine Meyer mit ihrem Mann Reiner Wehle — ein ebenfalls prominenter Klarinettist - eine mittelalterliche Werkstatt in einen Wohlfühlort für die Familie verwandelt, der nichts von all den Umbaunöten erkennen lässt, die die Hausherrin gern erwähnt, wenn der Besucher angesichts der gemütlichen Räume, dem lauschigen Hofgarten, und dem individuellen Ambiente ins Schwärmen kommt.
So charmant und einladend wie das Haus wirkt, so erlebt man auch Sabine Meyer. Wenn sie von Musik, von ihrer — durch das musikalische Elternhaus vorgegeben — Begeisterung und Leidenschaft dafür erzählt, dann erzählt sie von einem großen Glück. Aber nicht von ihren Erfolgen, ihren Konzerten mit den wichtigstens Orchestern und bedeutendsten Dirigenten der Gegenwart. Seit 1993 hat die Ausnahme-Künstlerin gemeinsam mit ihrem Mann die Professur für Klarinette an der Lübecker Musikhochschule.
Ihr Engagement für den Nachwuchs gilt als vorbildlich. Dabei geht es ihr nicht nur darum, technisch perfekte Instrumentalisten heranzuziehen, sie will Persönlichkeiten ausbilden. Solche, die in dem schwierigen Musikbetrieb bestehen können, die ihren Weg finden. Zu sich und zu dem Instrument. Nur so wird man ein guter Solist."
Als Mutter von zwei Kindern hat sie auch immer darauf geachtet, dass die „ihre eigenen Wege finden". Und so wird in der Familie viel musiziert, doch der Sohn und die Tochter werden beruflich andere Wege gehen als die Eltern. Dennoch bleibt ihnen das Musiker-Glück. Um diese Erfahrungen geht es Sabine
Meyer, zumal sie sich in diesem Jahr vom Schleswig-Holsteinischen Landesmusikrat zur Schirmherrin für das Projekt „Klarinette: Instrument des Jahres 2008" wählen ließ. Von den Konzerten, Workshops und Begegnungen erhofft sie sich auch einen Abbau von „Schwellenängsten". Denn Klarinette zu spielen „ist so einfach. Sie könnten gleich in der ersten halben Stunde Hänschen klein spielen", ist die Klarinetten-Professorin überzeugt. So also könnte ein Anfang aussehen.
Ein anderer ist, sich die Konzerte oder CD-Einspielungen mit Sabine Meyer an zu hören. Ganz gleich, was sie spielt, der Ton, den ihr Instrument hergibt, ist verführerisch und wohltuend. Sicher weiß Sabine Meyer um ihre besonderen Fähigkeiten, die das Konzertpublikum auf der ganzen Welt begeistern. Ein Talent, das bei der jugendlich wirkenden Musikerin weder zu Eitelkeiten noch zu Allüren geführt hat. Und so wird der Besuch bei dem Weltstar zu einem unverkrampften Erlebnis.
MICHAEL STITZ 

Vom 18. bis 26.10 probt das Landesjugendorchester Schleswig-Holstein mit Sabine Meyer und Reiner Wehle. Die Konzerte mit den beiden Solisten finden am 25.10. im Kieler Schloss und 26.10. in der Lübecker MuK statt. Weitere Infos: instrument-des-jahres.de

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Flensburger Tageblatt vom 14.10.2008
Flensburger Tageblatt vom 14.10.2008