Instrument des Jahres: Klarinette



"Der Grammy wäre ein Traum"

11.02.2008

Lübecker Nachrichten, 10./11.02.2008 -

Interview: Jürgen Feldhoff

Sabine Meyer ist ein Weltstar. Gleich mit zwei CDs wurde die in Lübeck lebende und lehrende Klarinettistin für den US-Phono-Preis „Grammy" nominiert. Im LN-Interview spricht sie über ihre Karriere und ihre musikalischen Vorlieben.

Lübecker Nachrichten: Frau Meyer, Sie haben fast alles an Klassik-Preisen gewonnen, was es gibt - sind die Grammy-Nominierungen dennoch etwas Besonderes für Sie?
Sabine Meyer: Der Grammy ist eine internationale Anerkennung, ich hätte mir das nie erträumt, auch nur nominiert zu werden. Man kennt den Grammy ja auch vor allem aus dem Pop-Bereich.
LN: Nominiert sind unter anderem Beyoncé und Amy Winehouse - mögen Sie Popmusik?
Meyer: Durchaus, schon allein durch unseren Sohn, der selber Rockmusik gemacht hat. Da haben mein Mann und ich sogar manchmal Tipps gegeben, wie man Songs harmonisch etwas einfallsreicher gestalten kann.
LN: Hören Sie auch Popmusik?
Meyer: Manchmal, eher lege ich Jazz-CDs auf. Al Jarreau etwa höre ich sehr gern, Steve Reich mag ich auch. Mein Vater hat viele Jazzmusik gemacht, er hatte nach dem Krieg eine der ersten Bigbands in Crailsheim.
LN: Sie haben ja auch einmal eine CD mit Titeln von Benny Goodman gemacht.
Meyer: Das war sehr reizvoll, vor allem, weil wir klassisch ausgebildeten Musiker auch einmal improvisieren konnten. Jazz-Musikerin aber wollte ich nie werden.
LN: Goodman hat ja auch einmal das Mozart-Klarinettenkonzert eingespielt.
Meyer: Das ist sehr gewöhnungsbedürftig, da merkt man, dass er sich im Angesicht der Noten unwohl gefühlt hat. Bei uns klassischen Musikern ist es entgegengesetzt.
LN: Noch einmal zurück zum Grammy - werden Sie zur Verleihung nach Los Angeles reisen?
Meyer: Das geht leider nicht, weil ich auf Gran Canaria die Uraufführung eines Konzertes für zwei Klarinetten und Orchester spiele, das Peter Eötvös für meinen Bruder Wolfgang und mich geschrieben hat. Ein wunderschönes und sehr, sehr schwieriges Stück.
LN: Sie spielen gerne und häufig zeitgenössische Musik.
Meyer: Man kann nicht immer nur Mozart, Weber oder Stauritz spielen, Musik unserer Tage ist für mich sehr wichtig. Gerade Peter Eötvös ist einer der wichtigsten Komponisten, den es zurzeit gibt, ich mag seine Musik.
LN: Sie sind für den Grammy gleich mit zwei Aufnahmen nominiert, dem Klarinettenkonzert von Carl Nielsen und französischen Klarinettensonaten. Was ist für Sie wichtiger, Kammermusik oder die großen Konzerte?
Meyer: Ich möchte beides nicht missen und versuche, beide Genres ausgewogen zu pflegen. Kammermusik und die großen Konzerte sind gleich wichtig für mich.
LN: Das Mozart-Konzert haben Sie sehr oft gespielt.
Meyer: Das ist ein Werk, bei dem man nie auslernt und bei dem ich immer wieder neue Facetten entdecke. Es wird nie langweilig für mich, es ist jedes Mal neu für mich - als wenn ich es zum ersten Mal spielen würde.
LN: Das liegt auch an den jeweils anderen Gegebenheiten.
Meyer: Natürlich, es ist ein anderes Orchester, ein anderer Dirigent, ein anderer Saal, ein anderes Publikum, auf das man sich einstellen muss.
LN: Sie spielen in der ganzen Welt - sind Auftritte in Lübeck dabei etwas Besonderes?
Meyer: Ja, das sind sie auf jeden Fall. In New York oder Tokio kann ich völlig ruhig auf die Bühne gehen, in der MuK ist das anders. Da sitzen 1000 Leute, die mich kennen, und das macht schon nervös.
LN: Das Solisten-Dasein mit langen Reisen und Leben aus dem Koffer ist ein einsames Geschäft.
Meyer: Das ist einer der Gründe, weshalb ich so gerne Kammermusik mache, mit meinem Bläserensemble oder meinem Trio.
LN: Sie sind seit 1993 Professorin an der Musikhochschule Lübeck - welche Bedeutung hat das Lehren für Sie?
Meyer: Eine sehr große. Mein Mann und ich versuchen den Studenten eine ganzheitliche Ausbildung mit auf den Weg zu geben, nicht reine Virtuosität Körperhaltung, Körpergefühl, Klanggefühl, das Entwickeln der Töne aus dem Körper heraus ist genauso wichtig wie Fingerfertigkeit. Und natürlich das Nachdenken über die Musik, die man spielt. Das Publikum merkt sehr schnell, ob ein reiner Virtuose auf der Bühne steht oder ein Mensch, der musikalisch etwas zu bieten hat.
LN: Sie sind trotz Ihrer vielen Reisen präsent an der Hochschule
Meyer: Natürlich, denn vor allem Anfänger unter den Studenten brauchen eine kontinuierliche Betreuung. Da sind die anderthalb Stunden pro Woche oftmals schon fast zu wenig.
LN: Und Sie lehren gerne an der Lübecker Hochschule?                              Meyer: Sehr gerne sogar, es ist ein angenehmes Arbeiten hier. Und außerdem ist die Musikhochschule ganz einfach wunderschön.
LN: Sie stammen aus Crailsheim im Hohenlohischen - sind Sie in Lübeck angekommen?
Meyer: Wir haben uns hier von Anfang an sehr wohlgefühlt. München oder Salzburg oder was sonst noch zur Diskussion stand, das möchte gar nicht. Viele schimpfen meckern über die Stadt, aber wir genießen es ganz einfach, hier zu wohnen, in einem alten Haus in der Altstadt und in Nähe der Hochschule. Lübeck hat eine hohe Lebensqualität. Und wenn man Action braucht, ist Hamburg nicht weit.

Zur Person
Geboren: 30. März 1959 in Crailsheim.
Persönliches: Sabine Meyer lebt mit ihrem Ehemann Reiner Wehle — Professor für Klarinette an der Musikhochschule Lübeck —, ihren zwei Kindern Simon und Alma, dem Schäferhundmischling „Oskar" und mehreren Katzen in der Lübecker Altstadt. Hobbys: Kochen, Lesen und Reiten (Sabine Meyer züchtet Pferde).
Karriere: Nach Studien in Stuttgart und Hannover schlug Sabine Meyer zunächst die Orchesterlaufbahn ein und wurde Mitglied im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Es folgte ein Engagement als Solo-Klarinettistin im Berliner Philharmonischen Orchester, das sie bald zugunsten einer Solistenkarriere aufgab. Neben dieser Tätigkeit widmet sich Meyer auch der Kammermusik. Sie erhielt unter anderem schon sechs Mal den begehrten „Echo-Preis".

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Lübecker Nachrichten vom 11.02.2008
Lübecker Nachrichten vom 11.02.2008