Instrument des Jahres: Klarinette



Wo der Ton im Körper sitzt

15.01.2008

Mit der Klarinettistin Sabine Meyer sprach Christoph Forsthoff -

Kieler Nachrichten, 15.01.2008

Deutschlands „First Lady der Klarinette“, Sabine Meyer, hat dem Holzblasinstrument zu (neuer) Popularität verholfen und im „Trio di Clarone“ gemeinsam mit ihrem Bruder Wolfgang und Ehemann Reiner Wehle dem Klarinetten-Repertoire vergessene und neue Werke erschlossen.
Frau Meyer, mögen Sie eigentlich Mozarts Klarinettenkonzert noch spielen?
Immer noch (lacht)... Wir Klarinettisten haben zwar nicht besonders viele Werke – vom Repertoire her ist das ja keinesfalls vergleichbar mit Klavier oder Geige – aber das wenige, was wir haben, ist einfach sehr gewichtig und gehaltvoll.
Nun werden Ihnen ja bestimmt Stücke von zeitgenössischen Komponisten angetragen – gibt es da Ausschlusskriterien?
Es gibt da zwei Richtungen: Das eine sind diejenigen, die sehr traditionell komponieren – das klingt wie Skrjabin und könnte auch vor hundert Jahren
geschrieben worden sein.
Das hat nichts mit Neuer Musik zu tun. Das andere Extrem ist, wenn es allzu experimentell wird. Ich habe einfach keine Lust, die Klarinette auseinander
zu bauen, nur noch zu singen oder mich zur Hälfte ausziehen zu müssen (lacht)...
...Aufmerksamkeit erregen um jeden Preis – ein Mittel, auf das ja auch die Musikindustrie zunehmend zurückgreift...
...oh ja, die phantasievollen Gedanken der Musikindustrie kenne ich auch zu Genüge! Die kommen dann plötzlich auf die Idee „Sabine Meyer spielt Weihnachtslieder aus allen Kontinenten“ und das vermarkten wir dann – große
Klasse... Ebenso wie Alben „...à la romance“ mit ausschließlich langsamen Sätzen zum Träumen – nein, danke schön, das muss ich nicht haben.
Sie teilen also nicht das gern verwandte Argument, dass sich auf diese Weise ein neues Publikum für die Klassik gewinnen ließe?
Das stößt mindestens ebenso viele ab, die sich nämlich fragen: Warum macht sie das bloß?                                                                                                   Gehören solche Einsichten auch zum Lehrprogramm im Unterricht mit Ihren Schülern?
Na, als erstes bringe ich den natürlich das Klarinettenspielen bei (lacht). Und diese Aufgabe ist eigentlich schon vielschichtig genug, denn als Pädagoge
muss man manchmal fast mehr Psychologe sein: Den einen Schüler musst du mehr in den Hintern treten, den anderen mehr motivieren, den dritten eher bremsen – da reden wir auch schon mal eine Stunde lang nur über persönliche
Dinge.
Was gehört für Sie hier in erster Linie dazu?
Sehr wichtig ist ein gutes Fundament. Die meisten Klarinettisten, die zu mir kommen, können unheimlich toll spielen, die schwersten Stücke – doch für den einzelnen Ton fehlt ihnen oft das richtige körperliche Gefühl. Dieses zu finden,
damit der Ton frei schwingt, obertonreich ist, das Forte nicht zu hart und zu hell
klingt, das Piano nicht zu klein und zu eng: Diese Vorstellung von einem Ton bildet das Fundament. Denn jeder Ton hat seinen Platz im Körper – das ist wie beim Gesang. Solch eine Vorstellung von den Tönen aber samt eines dichten Legatos, um einen Ton mit dem anderen zu verbinden: Das heißt Musik zu machen. Es gibt viele Musiker, die können wahnsinnig schnell spielen und haben eine irre Technik – doch am Ende interessiert das keinen, denn schnell die Finger zu bewegen ist keine große Kunst, wenn dies nicht in einer geführten, intelligenten Art zu spielen geschieht.

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Kieler Nachrichten vom 15.01.2008
Kieler Nachrichten vom 15.01.2008