Instrument des Jahres: Klarinette



Musikalische Apokalypse

18.02.2008

Kieler Nachrichten vom 18. Februar 2008

Eindrucksvolles Konzert der „norddeutschen sinfonietta“ in Kiel

Kiel – Nicht zuletzt war das erfolgreiche Festival „©hiffren“ letzte Woche spontaner Anlass, nun auch in der Kieler Ansgar-Kirche Musik von Komponisten des 20. Jahrhunderts zu präsentieren. Darum wurde der angekündigte Brahms kurzerhand abgesetzt und durch den japanischen Komponisten Toru Takemitsu ersetzt. Dessen Litany in memory of Michael Vymer für Klavier setzte den Beginn eines eindrucksvollen Konzertes mit Mitgliedern der „norddeutschen sinfonietta“: Roland Möhle (Klavier), Anette Berchtold (Klarinette), Anja Kosanke (Violine), Birte Schultz (Violoncello) sowie Christian Gayed, der die Rezitation von fünf Gedichten unter anderem von Rose Ausländer und Rilke übernahm. Übergeordnetes Motto: „Zeit, die senkrecht steht...“.

Obwohl der Titel Spiegel im Spiegel von Arvo Pärt zunächst kaum auf die Zeit und die Zeitkunst, der Musik, hinzuweisen scheint, entwickelten sich die  fortwährenden, minimalistischen, nach oben gerichteten Dreiklangsbrechungen mit den langgezogenen, melodielosen sowie dünnen Tönen auf der e-Saite der Violine wie verwehende Tropfen der Zeit. Sie wirkten entschleunigend und luden den Hörer wie bei einem nach innen gerichteten Spiegel zur inneren Kontemplation ein. Pärts fast magisch wirkende Komposition gestaltete sich damit als das genaue Gegenteil unserer lauten und hektischen Zeit.

Das Werk aber, das apokalyptisch auf das Ende der Zeit setzt, ist Olivier Messiaens Quartett, das er 1940 als Kriegsgefangener in Schlesien komponiert hatte. Die drei bestens vorbereiteten Musikerinnen und Roland Möhle führten das achtteilige, programmatisch-religiöse Werk mit herzzerreißender Intensität auf. Über die einzelnen Soloteile schien eine erschütternde und gleichzeitig wunderbar hoffnungsfroh-farbige Wolke zu schweben, während bei den Tutti-Teilen das Dämonische, Groteske und die zerstörerischen Elemente am Werk waren, in denen die Tonwellen überzuschwappen drohten. Für ihre fesselnde, dynamische und beseelte Interpretation erhielten die vier Künstler auch den verdienten Beifall von dem leider nicht sehr zahlreich erschienenen Publikum.

Von Werner Bodendorff

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Anja Kosanke, Roland Möhle
Kieler Nachrichten vom 18.2.08