Instrument des Jahres: Klarinette



Holzgeblasene Raritäten

23.01.2008

von Elisabeth Richter -

Kieler Nachrichten, 23.01.2008

Von Bruch bis Rietz: Sharon Kam widmet sich-der „romantischen Klarinette"
In Schleswig-Holstein hat der Landesmusikrat die Klarinette zum „ Instrument des Jahres" 2008 gekürt. Neben der Lübecker Größe Sabine Meyer sorgt vor allem die in Hannover lebende Israelin Sharon Kam immer wieder für allerschönste Töne. Auf CD widmete sie sich zuletzt romantischen Konzerten von Julius Rietz, Carl Maria von Weber und Max Bruch.

Einfach gute Musik für eine CD einzuspielen, das genügt in angespannten Zeiten des Klassikbusiness schon lange nicht mehr. Zuweilen wird dabei auch die Verpackung (leider) wichtiger als der Inhalt. Nicht so bei der israelischen Klarinettistin Sharon Kam. Sie plant ihre CD-Projekte lange und sorgfältig. Der Titel von Sharon Karos jüngster CD - The Romantic Clarinet - klingt harmloser, als das, was sich dahinter verbirgt: Eine kleines Abenteuer mit der Entdeckung des hochromantischen Klarinettenkonzertes g-Moll des Mendelssohn- Zeitgenossen Julius Rietz.
Mit ihrem Mann, dem Dirigenten Gregor Bühl, und ihrem Bruder, dem Bratschisten Ori Kam, wollte die temperamentvolle Künstlerin unbedingt das Doppelkonzert e-Moll von Max Bruch aufnehmen, ein spätromantisches Werk, 1911 komponiert. Und außerdem von Carl Maria von Weber das Klarinettenquintett B-Dur in der Kammerorchester-Fassung, das entstand 1813, es ist noch klassisch, mit frühromantischen Elementen. „Zwischen Weber und Bruch liegen Welten! Ich stand vor dem Problem: wie überbrücke ich das? Im Internet bin irgendwann auf das Konzert von Rietz gestoßen, das die britische Klarinettistin Thea King eingespielt hatte. Für mich war sofort klar: das mach ich!"
Obwohl der Planungsprozess schon längst vorbei ist, gerät Sharon Kam fast in Ekstase: „Das Konzert liegt wunderbar, auch im Orchester, es gibt keine blöden Stellen, es ist wirklich schön. Es ist genau das, was wir Klarinettisten uns immer gewünscht haben!" Die anfängliche Begeisterung war eine Sache, die Realisierung des Plans eine andere. „Es gab keine Noten! Thea King hatte die Noten wohl von einem Antiquariat. Jemand in der Schweiz hat dieses handschriftliche Exemplar in den Computer eingegeben und eine druckbare Partitur erstellt. '
Mit düster verhangenen, geheimnisvollen Klängen beginnt das Rietz' Konzert. Rietz wird Musikwissenschaftlern bekannt sein, denn in dieser Disziplin hat der 1812 in Berlin geborene Komponist und Cellist Verdienstvolles geleistet. Mendelssohn sorgte 1835 dafür, dass Rietz sein Nachfolger als Kapellmeister am Opernhaus in Düsseldorf wurde. Später, nach Mendelssohns Tod, wirkte er auch als Leiter der Leipziger Gewandhauskonzerte und Hofkapellmeister in Dresden. Besonders die nach innen gekehrten, melancholischen Facetten dieses Konzertes von Julius Rietz vermittelt Sharon Kam mit starker, nicht nachlassender Intensität. In den schnellen Ecksätzen überzeugt Sharon Kam mit technischer Souveränität und spritziger Spiellaune. Der Austausch mit dem Orchester ist lustvoll, Dirigent Gregor Bühl begleitet mit der exzellenten Sinfonia Varsovia sensibel und präzise.
Auch Bruchs Doppelkonzert für Bratsche und Klarinette ist eine Rarität, denn es gibt nicht allzu viel romantische Literatur für die Solo-Bratsche. Sharon Kam und ihr Bruder Ori Kam harmonieren und ergänzen sich bei dem zauberhaften Dialog der Instrumente hervorragend.

The Romantic Clarinet: Klarinettenkonzerte von Rietz, Weber und Bruch. Sharon Kam, Klarinette, Ori Kam, Viola, Sinfonia Varsovia, Gregor Bühl. Edel classics, Berlin classics 0016202 B

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Kieler Nachrichten vom 23.01.2008
Kieler Nachrichten vom 23.01.2008